Die Wahlbeteiligung sinkt seit Jahren und war bei den letzten Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen & Schleswig-Holstein so niedrig, wie nie zuvor. Dieser Trend zeichnet sich besonders bei Menschen mit einem eher schwachen sozio-ökonomischen Hintergrund ab. Aus diesem Grund hat die Stiftung Grundeinkommen zu einem Webcast eingeladen, wo die Frage diskutiert wurde, wie Nichtwähler*innen für politische Partizipation mobilisiert werden können. Die Stiftung interessierte sich dabei insbesondere dafür, welchen Beitrag ein Bürgergeld dazu leisten kann.
Neben Mansour Aalam, Geschäftsführer der Stiftung Grundeinkommen und Steffen Mehnert, Diplom-Sozialarbeiter in der Beratung im Bereich der sozialen Sicherung bei der Caritas beteiligte sich unsere Geschäftsführerin Jana Faus am 22. Juni 2022 in die TAZ-Kantine an der Podiumsdiskussion. Entsprechend ihrer Expertise aus der „Nachwahlbefragung zur Bundestagswahl 2021: Nichtwähler*innen“ vertrat sie die Meinung, dass eine Gleichverteilung von Geld nicht direkt zu mehr politischer Teilhabe führt. Für die drei identifizierten Cluster an Nichtwahlmotiven, die sich in der Studie herauskristallisierten, sah sie andere Möglichkeiten, um Menschen zu mehr politischer Teilhabe zu bewegen.
Wahlpflicht und vereinfachte Wahlzugänge
Für das Cluster „Ich vertraue denen nicht“ hält sie eine Wahlpflicht für den einzigen gangbaren Lösungsansatz. Für Menschen, die es „nicht organisiert bekommen“, plädiert sie für vereinfachte Wahlzugänge. Beispielsweise wäre eine Wahl an mehreren Tagen ein geeignetes Mittel zur Mobilisierung. Schließzeiten der Wahllokale um 18 Uhr passen nicht zur Lebensrealität der Wähler*innen, sagte sie in der Diskussion. Aus ihrer Sicht korreliert das allerdings auch mit dem Interesse und der subjektiven, relativen Wichtigkeit von Wahlen: „Wenn diesen Menschen das Wählen wirklich wichtig wäre, dann würden sie es auch organisiert bekommen“.
„Ich vermisse das Thema Wahlen in populären Fernsehformaten“
Die Herausforderungen im Cluster „Ich interessiere mich nicht“ machte Jana anhand von Erfahrungen aus unserer Forschung deutlich: „Viele Wähler*innen wissen gar nicht, was mit der Erst- und was mit der Zweitstimme gewählt wird. In Fokusgruppen sprechen Menschen in einem Moment von hochpolitischen Themen, um im nächsten Moment zu sagen, dass sie sich nicht erinnern, was sie das letzte Mal über Politik gesprochen haben.“ Dies sei ein Indiz dafür, dass die Bürger*innen ihre Lebensrealität nicht mit der Politik verknüpfen. Daher wäre hier politische Bildung, insbesondere nach der Schulzeit ein probates Mittel, um politische Teilhabe zu fördern. Dabei sieht sie ziviles Engagement von Vereinen, Arbeitgeber*innen oder Medien als einen Schlüssel, um über die Wichtigkeit von Wahlen aufzuklären. Beispielsweise fehle die Thematisierung von Wahlen in populären Fernsehformaten.
Die vollständige Diskussion gibt es hier zu sehen:
Umfrage zur Bundestagswahl 2021: Nichtwahlanalyse
Am Wahlabend am 26. September 2021 haben wir in einer repräsentativen Studie insgesamt 26.158 Menschen online zur ihren Wahl- und Nichtwahlmotiven bei der Bundestagswahl befragt. Es zeigte sich, dass eine deutliche Mehrheit grundsätzlich bereit ist, wählen zu gehen. Nur ein Viertel der Wahlberechtigten hat sich dauerhaft abgewandt und gibt an, grundsätzlich nicht wählen zu gehen. Die Gründe für die Nichtwahl sind divers: das Gefühl, von keiner Partei vertreten zu werden (28 Prozent), keine überzeugenden Kanzlerkandidat*innen (25 Prozent) oder mangelndes politisches Interesse (19 Prozent) gehören zu den meistgenannten Begründungen. Es stellte sich heraus, dass jede*r fünfte Nichtwähler*in sich erst am Wahltag entschieden hat, nicht wählen zu gehen. Die Mehrheit davon hatte grundsätzlich vor zuwählen und gibt an, es schlussendlich zeitlich nicht geschafft zu haben.